Theo grüßt den Rest der Welt

Darf ich mich vorstellen:

Ich bin die Gemeine Kahnschnecke. Wissenschaftlich heiße ich "Theodoxus fluviatilis", aber Freunde nennen mich einfach Theo.

Charakteristischer orange-roter DeckelBild vergrössern Charakteristischer orange-roter Deckel

Oben seht ihr ein Foto von mir: Auf meinem Gehäuse habe ich eine schicke rotbraune Netzzeichnung auf hellem Grund. Viele meiner Artgenossen haben ein etwas anderes Muster, da dieses Merkmal sehr individuell ist. Woran man uns Gemeine Kahnschnecken aber ganz zweifelsfrei erkennen kann, ist unser orange-roter Deckel, mit dem wir unser Gehäuse verschließen können.

Dieser Deckel schützt mich vor Fressfeinden, aber auch vor Trockenheit, wenn z. B. der Wasserspiegel schnell absinkt.

Meine Nahrung besteht hauptsächlich aus Kieselalgen. Diese Kieselalgen sieht man im Frühjahr und Herbst deutlich im Gewässer als braunen, glitschigen Belag auf den Steinen. Um die steinharten Schalen der Kieselalgen aufschließen zu können, habe ich eine scharfe Raspelzunge, die mit hakenförmigen Zähnchen besetzt ist.

Früher habe ich mich in den größeren Gewässern in Unterfranken – Main und Fränkische Saale - gern getummelt. Dann aber wurde mehr und mehr Abwasser in die Flüsse eingeleitet. Die für mich nötige Sauerstoffmenge in Main und Fränkischer Saale wurde immer geringer.

Fränkische Saale mit Kläranlage Hammelburg im HintergrundBild vergrössern Fränkische Saale mit Kläranlage Hammelburg im Hintergrund

Eine stetig intensivere werdende Arbeit der Bauern brachte mehr Böden und Dünger in die Gewässer.
Das Schlimme daran war die hohe Fracht an Stickstoff- und Phosphor-Verbindungen, die ins Wasser gelangte. Da Algen und Pflanzen diese Nährstoffe zum Wachstum brauchen, konnten sich die fädigen Grünalgen massenhaft vermehren und auf den Steinen ausbreiten.
Für meine wichtigste Nahrung, die Kieselalgen, war nicht mehr genügend Raum. Für mich war auf einmal nicht nur die Luft zum Atmen knapp, ich musste auch noch Hunger leiden!

Damit aber noch nicht genug, auch die Umgebung hat sich stark verändert: die Gewässerbetten wurden von der Wasserwirtschaft begradigt, die Ufer massiv befestigt und der Main für Wasserkraft und Schifffahrt aufgestaut.

Da musste ich in kleinen Nischen ums Überleben bangen und war jahrzehntelang praktisch unsichtbar. Nur meine Verwandten im Donaugebiet haben mir immer wieder signalisiert:

"Halte durch, es kommen auch wieder bessere Zeiten!"

Und was soll ich euch sagen, sie hatten Recht!

Überall wurden neue Kläranlagen gebaut, die viel Schmutz- und Nährstoffe aus dem Abwasser herausholen. Dadurch wachsen weniger Grünalgen, die Kieselalgen können wieder die Steine besiedeln. Der Tisch ist also üppig für mich gedeckt.

In den Main wird seit den 90iger Jahren auch Wasser aus dem Donaugebiet übergeleitet. Dadurch verbesserten sich vor allem im Sommer die Strömungsbedingungen etwas und der Sauerstoff reicht mir jetzt auch wieder zum Leben. Zwar ist es nicht mehr so schön wie früher, aber zumindest in einigen Bereichen fühle ich mich schon wieder heimisch.

Wenn ich den Biologie-Mädels vom Wasserwirtschaftsamt mal eine Freude machen will, lasse ich mich sogar in einem von ihren Aufwuchskörben blicken.

Ich habe auch gehört, dass weitere Verbesserungen durch die Wasserrahmenrichtlinie kommen sollen. Viele Wasserexperten arbeiten daran mit und machen fleißig ihre Hausaufgaben. Vielleicht können in naher Zukunft meine Artgenossen wieder überall im Main und in der Fränkischen Saale heimisch werden!

Herzliche Grüße von der Kieselalgen-Weide!

Euer Theo

Fränkische Saale nach gewässerbaulichen MaßnahmenBild vergrössern Fränkische Saale nach gewässerbaulichen Maßnahmen